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Prävention Aktuell

Redaktion, Text und Videos: Holger Toth
Fotos: Dominik Buschardt

Medien
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Arbeit auf dem Recyclinghof

Wo der Müll viel wert ist

Von wegen Abfall! In dem, was die Menschen wegwerfen, stecken jede Menge wertvolle Materialien. Mülltrennung leistet somit einen wesentlichen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit und geschlossenen Kreisläufen. Wertstoff- oder Recyclinghöfe sind dafür zentrale Anlaufstellen. Bei der Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH (FES) hat sich PRÄVENTION AKTUELL deshalb angeschaut, was die Arbeit dort ausmacht.

von Holger Toth

Hauptsache weg damit?

Diskussionen, was in welchen Container gehört und warum, sind für Cetin Türköz beruflicher Alltag. Er arbeitet auf dem FES-Wertstoffhof in Frankfurt. Dorthin kommen Menschen, die das loswerden wollen, was sie nicht mehr brauchen und was sie im schlimmsten Fall sogar belastet. Und meist heißt es für sie: Hauptsache weg damit! „Für viele Bürger ist es einfach Sperrmüll. Sie sehen uns als Deponie und nicht als Wertstoffhof“, sagt Cetin Türköz.

Der FES-Mitarbeiter bedauert diese Einstellung zutiefst. Denn er möchte seinen Beitrag dazu leisten, die Welt lebenswert zu machen. Mülltrennung gehört für ihn dazu. Schließlich ist Müll nicht gleich Müll. Vieles kann aufbereitet und wiederverwertet werden. Die Tischplatte aus Holz lässt sich meist leicht von den Metallfüßen lösen – und schon ist eine Menge gewonnen, wie Türköz anschaulich erklärt.

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Was auch auf die Nachhaltigkeit einzahlt: Er und seine Kollegen schauen sich die Gegenstände an, die die Bürger nicht mehr haben wollen. „Wir selektieren, was noch verwendet werden und wieder in den Umlauf kommen kann.“ Das können Fernseher oder Kühlschränke, aber auch Tische oder Blumentöpfe sein. Die FES arbeitet dabei mit der GWR (gemeinnützige Gesellschaft für Wiederverwendung und Recycling) zusammen, die die funktionstüchtigen Geräte abholt, prüft, gründlich reinigt und für kleines Geld im Frankfurter Secondhand-Warenhaus „Neufundland“ verkauft. „Auch das verlängert die Lebensdauer der Produkte“, sagt Türköz.

Beraten, kontrollieren und dirigieren

Eine wichtige Aufgabe der Beschäftigten des Wertstoffhofs ist also die Beratung. Damit geht einher, dass sie die Abfälle, die abgegeben werden sollen, kontrollieren und dass sie die Bürger zu den richtigen Containern lotsen. Das ist sinnvoll und angebracht, denn nicht alles erschließt sich dem Laien sofort.

Hätten Sie zum Beispiel gewusst, dass Trinkgläser – im Gegensatz zu Weinflaschen und Marmeladengläsern – nicht ins Altglas gehören, sondern in den Sperrmüll? „Diese Gläser sind industriell anders verarbeitet“, klärt Wertstoff-Fachmann Türköz auf. Und er gibt noch ein anderes Beispiel: Der Bauschutt-Container, der für alles da ist, was steinhaltig ist. Eben nicht nur Fliesen, Kacheln, Waschbecken oder Toilettenschüsseln.

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Ganz ohne Anpacken geht es nicht

Selbst anpacken sollen die Mitarbeiter grundsätzlich nicht. Das hat Vorteile für ihre Gesundheit. Zum einen beugt es ergonomischen Belastungen durch schweren Heben und Tragen vor, wenn die Kunden ihre Abfälle selbst entsorgen. Zum anderen besteht nicht das Risiko, dass sich die FES-Beschäftigten an scharfen Kanten schneiden.

Auch wenn die Wertstoffhof-Beschäftigten grundsätzlich nicht anpacken sollen: Ganz ohne Handarbeit geht es dann doch nicht. Sei es, weil die Mitarbeiter dem älteren Herrn helfen, der nach der Gartenarbeit seine proppevolle Grünschnittkiste kaum alleine aus dem Kofferraum hieven, geschweige denn auskippen kann. Sei es, weil vielleicht doch mal etwas falsch zugeordnet ist.

Was alles zur PSA gehört

Um sich nicht zu verletzen, tragen die Mitarbeiter Handschuhe. Ihnen stehen Modelle unterschiedlicher Schutzklassen zur Verfügung – je nachdem, mit welchen Gefährdungen oder auch Gefahrstoffen sie hantieren müssen.

Darüber hinaus gehören Sicherheitsschuhe, Warnkleidung mit Reflektionsstreifen und situativ auch eine Schutzbrille zur persönlichen Schutzausrüstung (PSA). Die Brille bewahrt die Augen vor Staubpartikeln und herumfliegenden Splittern, wenn die Beschäftigten beispielsweise Container mit einem dichten Netz überziehen, um sie für den Abtransport vorzubereiten. Julian Roth, Fachkraft für Arbeitssicherheit (Sifa) bei der FES, erklärt die einzelnen Bestandteile der PSA, die Cetin Türköz trägt.

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Gute Organisation hilft gegen SRS-Unfälle

Für den Arbeitsschutz auf dem Wertstoffhof sind Ordnung und Sauberkeit wichtige Aspekte. Auf dem Gelände steht oder liegt nichts herum, was eine Stolperfalle darstellen könnte. Zur Ordnung gehört auch, dass die Container regelmäßig abgeholt und geleert werden. Die Mitarbeiter veranlassen das einfach und schnell über ein digitales Betriebstagebuch. Verschiedene Fremdunternehmen sind im Einsatz, da jede Art von Abfall unterschiedlich wiederaufbereitet oder entsorgt werden muss. Logisch: Ein Altreifen muss dabei anders behandelt werden als ein Feuerlöscher, in Leuchtstoffröhren und Energiesparlampen steckt Quecksilber, Druckerpatronen verlangen eine andere Entsorgungsmethode als Fernseher oder Handys.

In der kalten Jahreszeit wird erst geöffnet, wenn der Hof vom Schnee geräumt und enteist ist. Praktisch, dass der Winterdienst am Standort stationiert ist. „Wir haben kurze Wege, um dafür zu sorgen, dass die Beschäftigten ein sicheres Arbeitsumfeld haben“, sagt Arbeitsschützer Julian Roth. „Aber natürlich auch für die Bürgerinnen und Bürger, die ihre Abfälle loswerden möchten."

Die Gefahr von Unfällen aus der Kategorie SRS (Stolpern, Rutschen, Stürzen) soll ebenfalls minimiert werden, falls bei der Abfallentsorgung doch einmal Flüssigkeiten wie etwa Öle oder Kältemittel von Kühlschränken austreten sollten. In dem Fall verwenden die Mitarbeiter Bindemittel, das die Flüssigkeit aufsaugt, und entfernen es anschließend mit Besen und Kehrblech. Dabei tragen sie zur Sicherheit Handschuhe, obwohl sie mit der Substanz ohnehin nicht in Berührung kommen.

Eine Armbanduhr, die es in sich hat

Mit manchen Gefährdungen rechnen dann aber auch die erfahrensten Mitarbeiter nicht. Vor einigen Monaten beispielsweise wollte eine Frau eine Armbanduhr entsorgen. Nichts Ungewöhnliches, hätte die Dame einem Mitarbeiter gegenüber nicht darauf hingewiesen, dass ihr Sohn – ein Chemiker – die Uhr gekauft habe und sie radioaktiv sei. Nun ist eine Armbanduhr kein Uranbrennstab, aber mit radioaktiver Leuchtfarbe bemalte Ziffernblätter sind natürlich trotzdem eines: hochgefährlich und speziell zu entsorgender Abfall!

Radioaktives Material übersteigt selbst die Möglichkeiten der Schadstoffsammlung des Wertstoffhofs, auch wenn sie dort in Frankfurt schon sehr viel entgegennehmen können. „Wo soll ich denn sonst damit hin?“, fragte die Dame ein wenig verzweifelt. Ein paar Anrufe später konnten die Beschäftigten der Frau dann doch weiterhelfen und an das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) vermitteln.

Bei Schadstoffen sind Chemiker gefragt

Der Normalfall ist eine radioaktive Uhr natürlich nicht. Der Normalfall heißt Sperrmüll, Grünschnitt, Metallschrott, Bauschutt, Altreifen, defekte Elektrogeräte oder Batterien. Aber auch Dünger, Rattengift, Löse-, Frostschutz- und Reinigungsmittel, Medikamente, Lacke und Farben fallen als Abfall an. Dafür gibt es auf dem Wertstoffhof die Schadstoffsammlung.

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Grundsätzlich gilt auch hierbei das STOP-Prinzip des Arbeitsschutzes: Substitution vor technischen vor organisatorischen vor personenbezogenen Maßnahmen. „Stoffe können ausgasen oder einen Brand auslösen“, veranschaulicht Julian Roth am Beispiel des Schadstoffmobils. „Es ist so konzipiert, dass es durch die elektrischen Bauteile nicht zu einem Zündfunken kommt. Der Explosionsgefährdung wird durch diese technische Ausführung und einer technischen Lüftung wirkungsvoll begegnet.“

Für das Handling von solchen Gefahr- und Schadstoffen sind in Frankfurt ausgebildete Chemiefachkräfte zuständig. Sie untersuchen diese Substanzen im Schadstoffmobil und sortieren sie ein. Dabei tragen sie Arbeitskleidung, die multiresistent gegen Chemikalien ist. Außerdem haben sie verschiedene Schutzhandschuhe zur Auswahl – je nachdem, welche Substanz gerade angeliefert wird.

Wie Akkus und Klebeband zusammenpassen

Auf dem Gelände beherbergen graue Boxen und Fässer aus Kunststoff weitere Abfälle, die gefährlich werden können: Batterien und vor allem Akkus. Auch die müssen fein säuberlich getrennt werden. Alte Haushaltsbatterien hierhin, Laptop-Akkus dorthin, Autobatterien wieder woanders. Denn selbst bei den verschiedenen Sorten von Energiespeicher gibt es nicht nur einen Dienstleister, den die FES mit dem Abholen beauftragt.

Schere und Paketklebeband sind bei den Akkus gute Freunde der FES-Beschäftigten. Warum das so ist, erklärt Cetin Türköz im Video.

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E-Shishas: klein, aber oho

Vor allem Lithium-Ionen-Akkus haben es in sich. Sie gehören nicht in den Hausmüll, nicht in den Sperrmüll und auch im ganz buchstäblichen Sinne nicht zum alten Eisen. Allerdings landen sie oft genau dort – weil sie in Spielzeugen oder Geräten verbaut sind und achtlos mit weggeworfen werden, wenn der Zahn der Zeit am einstigen Objekt der Begierde genagt hat. Oder weil es eben so bequem ist, alte E-Shishas oder Schuhe mit LED-Beleuchtung einfach in die heimische Tonne zu werfen.

Dabei bergen die Akkus eine große Brandgefahr. Sie müssen dafür gar nicht mit Feuer und Flammen in Berührung kommen. Eine kleine Beschädigung reicht aus, um eine chemische Reaktion auszulösen und die kleinen Energiespeicher in Brand zu setzen.

Vorsicht vor aufgeblähten Akkus!

Besonders anfällig sind alte und defekte Lithium-Ionen-Akkus. Man erkennt sie daran, dass sie sich regelrecht aufblähen. „Wie ein Autoreifen, der eine Blase bekommt“, veranschaulicht Cetin Türköz. Im Umgang mit solchen Akkus ist besondere Vorsicht geboten. Auf dem FES-Wertstoffhof gibt es dafür in einem Nebengebäude einen eigenen Gefahrstoffschrank, der 90 Minuten lang Feuer standhält. Sollte ein Akku einmal in Brand geraten, greifen die Flammen nicht sofort auf Gebäude oder andere Teile des Hofs über und die Feuerwehr hat genügend Zeit für die Brandbekämpfung.

Auf einem Kunststoffbehälter weist ein roter Aufkleber auf den gefährlichen Inhalt hin. „Transporttonne für defekte Hochenergiebatterien“ steht darauf. Darin befinden sich fein säuberlich verstaut etliche Akkus inmitten von dämmenden Kügelchen, die nur aussehen wie Schaumstoff. „Vermiculit heißt das Material. Es ist besonders leicht und nicht reaktionsfreudig“, weiß Julian Roth. Deshalb wird es auch beim Gebäudebau als Dämmstoff für beispielsweise Schornsteine verwendet. In diesem Fall schützen die Vermiculit-Kügelchen die defekten Akkus vor Kontakt mit spitzen Gegenständen und vor Druck. Cetin Türköz erklärt, warum das wichtig ist.

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Ein Brand ist aufgrund der Eigenschaften von Lithium-Ionen-Akkus, die sogar unter Wasser weiterbrennen, nur schwer zu löschen. Daher gehören die Energiespeicher nicht in den Haus- oder Sperrmüll, sondern sie müssen über den Handel oder Wertstoffhöfe entsorgt werden. „Bei den weiteren Verarbeitungsprozessen, zum Beispiel bei der mechanischen Zerkleinerung, kann das ansonsten zur Beschädigung der Akkus und zum Brand führen“, sagt Roth.

Plattwalzen für die Umwelt

Klar ist natürlich: Gewalzt werden dürfen Batterien und Akkus keinesfalls. Andere Abfälle dagegen schon. Die FES setzt eine mobile Walze ein, um Platz zu schaffen. Das dient zum einen Effizienz und zum anderen letztlich auch dem Umweltschutz. „Wir verdichten das Material, so passt mehr in die Container“, sagt Cetin Türköz. „Wir reduzieren also Emissionen, weil die Container nicht so oft abgeholt und geleert werden müssen.“

Wie mit der Walze müssen die Mitarbeiter auch mit anderen Geräten und Maschinen umgehen können. „Grundsätzlich muss jeder alles können“, sagt Türköz. Dazu gehört das Fahren des Gabelstaplers, der vor allem dazu dient, die Kisten und Gitterboxen mit Elektroschrott und Batterien zu stapeln.

Auch das Bedienen der Müllpressen will gelernt sein. Was dabei zu beachten ist, erklärt Julian Roth im Video.

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Warten wie im Supermarkt

Untersagt ist auch das Überholen auf dem Gelände des Wertstoffhofs. Ein Einbahnstraßen-Wegesystem sorgt dafür, dass es übersichtlich bleibt. Von der Einfahrt geht es zur Anmeldung mit Kassenhaus, dann weiter eine Rampe hoch, wo viele Container für unterschiedliche Abfallarten warten, und schließlich die Rampe wieder runter zu Bauschutt, Schadstoffmobil, Elektrokleingeräten, Batterien und Co.

„Jeder wartet wie beim Supermarkt an der Kasse“, veranschaulicht Cetin Türköz. Das mag mitunter zu längeren Wartezeiten führen, wenn fünf Autos Grünschnitt haben und das sechste Auto mit Metallschrott sich nicht vorbeidrängeln darf. Aber es verringert das Verkehrschaos und das Unfallrisiko.

Für Müll zu bezahlen, gefällt nicht jedem

Probleme bereiten mitunter die Kunden. Mit voll beladenen Autos und Kleinlastern fahren sie manchmal zum Kassenhäuschen vor und ärgern sich, dass sie nicht ihren kompletten Müll kostenfrei loswerden können. Bauschutt und Baumischabfälle, behandeltes Holz, Reifen und bestimmtes Dämmmaterial kosten aber Geld. 20 Euro für einen Pkw-Kofferraum voller Bauschutt, 40 Euro für einen Kombi oder einen Anhänger.

Eine solch transparente und einfache Preisgestaltung soll für Akzeptanz und Verständnis sorgen. Das klappt nicht immer. „Es ist aggressiver geworden“, hat Cetin Türköz festgestellt. Er beklagt die fehlende Wertschätzung.

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Der richtige Umgang mit Konflikten

Mit den Anfeindungen müsse man umzugehen lernen. „Jeder Mensch ist anders belastbar“, sagt Cetin Türköz. Manche Kollegen würden die Erlebnisse mit nach Hause nehmen und mit der Familie darüber sprechen, für andere seien sie nach der Schicht mit dem Passieren des Werkstores erledigt. „Wir reden aber auch sehr viel im Kollegenkreis darüber und können uns bei der FES Hilfe holen.“

Julian Roth weiß um die Wichtigkeit des Themas. Bei einer Mitarbeiterbefragung zu den größten Belastungen kam die Antwort „Konfliktsituation zwischen Beschäftigten und Bürgern“ sehr häufig. „Wir haben daraufhin einen Deeskalationscoach engagiert“, sagt der Arbeitsschützer. Türköz und seine Kollegen wissen nun: Wird ein Bürger wütend, weil er mit dem Preis nicht einverstanden ist oder sein Abfall nicht entgegengenommen werden kann, ist es am besten, sachlich zu bleiben und die Diskussion möglichst schnell zu beenden. Außerdem sollte ein zweiter Kollege dabei sein, der bei einer Meinungsverschiedenheit die Gesprächsführung übernehmen könne.

Wichtiger Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit

Insgesamt aber überwiegt für Türköz das Positive: „Ich liebe meinen Job und arbeite sehr gerne hier.“ Zumal er und seine Kollegen damit einen wichtigen Beitrag zu einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft und zu mehr Nachhaltigkeit leisten. „Deshalb ist es mir ist wichtig, dass hier ordnungsgemäß getrennt und entsorgt wird.“