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Arbeitssicherheit im Zirkus

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Arbeitssicherheit im Zirkus

Egal, ob meterhoch über der Bühne oder im engen Motorrad-Käfig: Bei Flic Flac geht es rund. Da kann einem schon mal schwindelig werden. Zirkusakrobaten sollte das besser nicht passieren. Denn ein falscher Griff oder ein Moment der Unaufmerksamkeit können fatale Folgen haben. Der beste Schutz vor Unfällen sind für Artisten ein gesunder Körper und ein gesundes Selbstbewusstsein. Verbunden mit der Fähigkeit, sich komplett auf ihren Job konzentrieren und die Gefahren ausblenden zu können.

von Holger Schmidt
und Dominik Buschardt

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Ein Genuss soll es vor allem für die Zuschauer sein, wenn das ukrainische Paar bei der Sommer-Show von Flic Flac in seiner Schmacht- und Sehnsuchtsnummer über der Bühne schwebt. Mit „Bonjour tristesse“ hat der Auftritt jedenfalls nichts zu tun. Auch wenn Rammstein-Frontmann Till Lindemann das im Duett „Le jardin des larmes“ (Der Garten der Tränen) mit der Französin Zaz singt.

Als Hilfsmittel dienen Valentyn und Yuliya Shevchenko nur zwei Stoffbänder, die sogenannten Strapaten. Er war früher Kunstturner, sie hat die Akrobatik in der Zirkusschule gelernt.

Abgestürzt und auf den Boden geknallt seien sie noch, versichert Valentyn: „Wir versuchen, auch nicht darüber nachzudenken.“ Dass es anderen Akrobaten passiert sei, wisse er natürlich. „Ich spreche mit ihnen und versuche zu verstehen, warum es passiert ist.“ Aus Unfällen anderer zu lernen, helfe ihm dabei, eigene Unfälle zu vermeiden. Sicherheit sei für ihn das oberste Gebot.

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Damit seine Arme in den Minuten, die der Auftritt dauert, Höchstleistungen vollbringen, muss Valentyn seine Muskeln aufwärmen. „Mein Warm-up ist jeden Tag anders“, sagt der Artist. Mal Klimmzüge, mal Liegestützen, mal stretcht er sich, mal springt er ein bisschen, um locker zu werden. „Es hängt davon ab, wie sich mein Körper gerade anfühlt“, erklärt Valentyn. Grundsätzlich würde er mehr die Schultern dehnen, Yuliya eher den Rücken.

Beide hängen aneinander – bei der Show im wahrsten Sinne des Wortes. Und sie hängen voneinander ab. Die Griffe müssen sitzen, sonst droht der Absturz. Erschwert wird das dadurch, dass es von der Zeltkuppel „regnet“. Ein dichter Wasserschleier unterstreicht die Ästhetik der atmosphärischen Nummer.

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Die Direktorin

Das Wasser gehört zum Konzept der Sommer-Show. Ausgedacht hat sie sich Larissa Kastein, die nicht nur Direktorin von Flic Flac, sondern auch künstlerische Leiterin ist. „Wir wollen die Leute begeistern mit verschiedensten Acts von Akrobatik über Adrenalinkicks bis hin zu Comedy.“

Hinter den Kulissen steckt eine Menge Zeit und Arbeit dahinter, bis ein stimmiges Show-Konzept auf die Beine gestellt ist. „Das ist mein Leben“, sagt Kastein. „Ich sehe darin keine Schwierigkeit, sondern eine große Leidenschaft.“ Natürlich helfe ihr das Team dabei, allen voran die Choreographin, der Musical Director und die Kostümbildnerin. „Manchmal finden wir zuerst die Musik und suchen danach einen Act aus. Manchmal gefällt mir eine artistische Nummer und wir suchen dazu die Musik aus“, gibt Larissa Kastein einen Einblick in die Entstehung einer Show.

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„Die Technik muss 1a abgestimmt sein auf den jeweiligen Act“, sagt Larissa Kastein. „Da gibt es ein Team, das sich nur um die Sicherheit kümmert.“ Acht sogenannte „Stage Hands“ packen mit an.

Trotz aller Akribie lassen sich Unfälle nicht gänzlich ausschließen. Bei einem Gastspiel von Flic Flac Anfang 2022 in Dortmund stürzten ein kolumbianisches Artisten-Duo vom sogenannten Todesrad. An einem Seil habe sich eine Ratsche gelöst, dadurch sei die Konstruktion in Schieflage geraten, teilte der Zirkus zum Unfallhergang mit. Glück im Unglück: Beim Sturz aus zwei bis drei Metern Höhe kamen die Männer mit leichten Verletzungen davon, wie eine Untersuchung im Krankenhaus ergab. Wenige Tage später konnten sie schon wieder auftreten.

„Es sind viele gefährliche Acts und es gehört zum Berufsrisiko, was jeder dieser Artisten eingeht“, sagt Larissa Kastein. Genügend Ersthelfer sind – wie auch Brandschutzhelfer – bei jeder Show vor Ort. Den Rettungsdiensten sind die Zufahrts- und Rettungswege bekannt, damit es im Fall der Fälle schnell geht. Unfälle mit schlimmen Folgen sind bei Flic Flac in den vergangenen Jahren nicht passiert.

Welche Nummern der aktuellen Show sie ins Schwitzen bringen und worauf sie sich freut, verrät sie im Video.

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Die Bello Sisters

„Schrämmchen und blaue Flecken zählen nicht als schlimmer Unfall – die gehören dazu“, sagt Larissa Kastein. Den einen oder anderen blauen Fleck dürften auch die Bello Sisters davontragen, wenn sie eine neue Choreographie einstudieren.

Lebensgefährlich wird es für die aus einer deutsch-italienischen Zirkusfamilie stammenden Schwestern Loren, Celine und Joline eher nicht, obgleich sie auch einige Meter Höhe erreichen, wenn sie sich grazil übereinander „stapeln“. Kraft, Beweglichkeit und Geschick sind für ihre Gleichgewichtskunst gefordert, die Equilibristik.

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In der Show klappt es aber dann doch immer. Stundenlang studierten die Bello Sisters täglich bei den Proben die Choreographie ein. Jetzt, da die Show in Duisburg läuft, trainieren sie jeden Tag zwei Stunden. Eine halbe Stunde vor ihrem Auftritt machen sie sich warm, damit sie bei den artistischen Verbiegungen und Hebefiguren keine Muskelverletzungen erleiden.

Für das Trio war es eine neue Erfahrung, dass Kunstregen auf sie niederprasselt. „Am Anfang kostet es Überwindung, wenn man neue Sachen versucht“, sagt Loren. „Angst hat man nicht. Aber Respekt.“

Wenn die Chicks on Speed „Kaltes, klares Wasser“ singen, setzt der Kunstregen über den Bello Sisters ein. Zum Glück für die Künstlerinnen ist das Wasser aber gar nicht kalt.



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Für die Show werden 20.000 Liter Wasser in den Tanks unter der Bühne und 6.000 Liter Wasser im Tank außerhalb des Zelts verwendet. Das Wasser wird auf 45 Grad erwärmt. Wenn der Kunstregen dann vom Zeltdach auf die Artisten fällt, hat das Wasser eine Temperatur von angenehmen 25 Grad.

Verschwendet wird kaum etwas, schließlich geht es Flic Flac auch um Nachhaltigkeit im Umgang mit Ressourcen. „Das Wasser wird wieder aufgefangen, in die Tanks zurück gepumpt, aufgeheizt und neu benutzt“, beschreibt Geschäftsführer Uwe Struck den Kreislauf.

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Der Geschäftsführer

Eine große Menge Wasser spielt also eine Rolle bei der Sommer-Edition von Flic Flac. Und darüber hinaus Menschen und ganz viel Technik. Hier einige Zahlen und Fakten:
  • Licht: 124 Scheinwerfer an 20 Motoren erzeugen 400 verschiedene Lichtstimmungen.
  • Ton: 40 Lautsprecher an der Bühne und 2 mannshohe Subwoofer für die tiefen Bässe sorgen für das Sounderlebnis.
  • Strom: 50 Kilometer Kabel sind verlegt worden.
  • Personal: Insgesamt 100 Mitarbeiter, darunter 32 Artisten aus 13 Ländern, 35 Angestellte und Bühnenarbeiter sowie 18 Gastronomie-Angestellte.

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Damit es überhaupt zum Applaus des Publikums kommt, muss technisch und organisatorisch alles passen. Die Technik, die an der Zeltkuppel befestigt ist, ist mit Motoren ausgestattet. Hat der Höhenarbeiter, der sogenannte Rigger, die Scheinwerfer und Lautsprecher oben angebracht, muss dort niemand mehr von Hand eingreifen – sofern nichts kaputt geht. „Es wird alles vom Licht- und Tonpult aus gesteuert, auch das Wasser“, führt Uwe Struck aus. Während der Proben werden Licht und Musik auf die Darbietungen der Artisten abgestimmt und programmiert. So sollte bei der Show nichts schiefgehen.

Selbstverständlich sorgt sich Flic Flac nicht nur um die Sicherheit der Mitarbeiter und Artisten, sondern auch um die der Besucher. 1.400 Zuschauer fasst das Zelt, das sowohl auf Reisen als auch am festen Standort in Duisburg technisch abgenommen werden muss. „In jeder Stadt kommt vor der Premiere die Bauaufsicht und kontrolliert stichprobenartig, ob wir alles so aufgebaut haben, wie es im Baubuch steht“, sagt Uwe Struck. Alle drei Jahre überprüfe der TÜV zudem den Zustand der technischen Geräte und der Bauten.

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Bis das markante, schwarz-gelb gestreifte Zelt aber überhaupt steht, fließt viel Schweiß. Im Tourneebetrieb hat Flic Flac 48 Stunden Zeit für den Aufbau, 50 Helfer packen dann mit an. In Duisburg hatte der Zirkus diesen zeitlichen Druck nicht. Drei Wochen nahm man sich Zeit, benötigte aber auch wesentlich weniger zupackende Hände.

Zwei Rundbogenmasten, die jeweils zwölf Tonnen wiegen, sind der Knackpunkt. „Das ist der gefährlichste Moment des Auf- und Abbaus“, sagt Uwe Struck. Sind die Masten aufgerichtet, kann er erst einmal durchatmen. Zumindest, bis die Premiere der Show ansteht. Dann ist sogar der erfahrene Zirkusmann aufgeregt. Erst nach dem Finalapplaus ist er wirklich erleichtert, wie Struck verrät: „Da sind auch Freudentränen dabei, wenn alles geklappt hat.“

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Die Helldrivers

Keinen Motor, sondern ein Motorrad steuert Victor Manuel Rivera Arboleda. Er gehört den Helldrivers an, einer Gruppe von Fahrern, die aus verschiedenen südamerikanischen Ländern kommen. Die Männer begeben sich in den „Globe of Speed“. Die Gitterkugel hat einen Durchmesser von 6,50 Metern. Nicht viel Platz fürs Motorradfahren – erst recht nicht, wenn gleich zehn Bikes gleichzeitig mit bis zu 70 Sachen kreuz und quer durch die Kugel rasen.

Jeden Tag trainieren Rivera und die anderen Helldrivers. Immer einer nach dem anderen. Jeder fährt seine Route ab, bis er sie beinahe mit verbundenen Augen schaffen würde. Dann erst begeben sich mehrere oder – wie in der Show – alle zehn Biker gemeinsam in die Kugel.

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Auf ihre Kollegen müssen sich die Motorradfahrer zu 100 Prozent verlassen können. Mit Blickkontakten und Kopfbewegungen kommunizieren sie in der Kugel, es bleiben schließlich nur Bruchteile von Sekunden zum Reagieren. Eine Viertelstunde vor jedem Auftritt treffen sie sich noch einmal, sprechen miteinander, ermahnen sich zur Konzentration – und beten.

Auf himmlischen Beistand zu vertrauen, ist für die Helldrivers das eine. Die Motorräder zu kontrollieren, ist das andere. Und das haben die Fahrer selbst in der Hand. „Das ist das Wichtigste“, bestätigt Victor Rivera. „Du hängst davon ab, dein Leben hängt davon ab.“ Also überprüfen sie jeden Tag ganz gewissenhaft, ob alles in Ordnung und – im wahrsten Sinne des Wortes – keine Schraube locker ist.

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Victor Rivera selbst hat in seinen acht Jahren als Motorradkünstler 20 oder 30 Unfälle gehabt, schätzt er. „Aber ich habe mir nie etwas gebrochen.“ Dann deutet Rivera doch auf seinen rechten Unterarm und sagt: „Nur einmal hier.“ Eine Kette riss und er krachte aus sechs Metern auf den Boden der Kugel. Berufsrisiko.

Rivera hat weitergemacht und wird auch in Zukunft weitermachen. Denn in seiner Heimat Kolumbien hatte er die rasante Motorrad-Show früher einmal gesehen und war sofort fasziniert: „Mein Traum war es, im „Globe of Speed“ zu fahren.“ Diesen Traum lebt der 41-Jährige.

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Sicherheit im Zirkus funktioniert also etwas anders als in produzierenden Unternehmen oder in der Dienstleistungsbranche: Während man im Umgang mit Werkzeugen oder Maschinen besser den Kopf einschalten sollte, hilft es den Zirkusartisten, den Kopf auszuschalten. Dann klappt's auch kopfüber.

Die Sommer-Edition von Flic Flac ist noch bis zum 18. September in der Nähe des Hauptbahnhofs in Duisburg zu sehen. Infos und Tickets gibt’s unter www.flicflac.de
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