Arbeitssicherheit im Zirkus
Arbeitssicherheit im ZirkusKopf aus für kopfüber
von Holger Schmidt
und Dominik Buschardt
Wie fühlt man sich eigentlich zwölf Meter über dem Boden?
Die Absturzgefahr ausblenden
Als Hilfsmittel dienen Valentyn und Yuliya Shevchenko nur zwei Stoffbänder, die sogenannten Strapaten. Er war früher Kunstturner, sie hat die Akrobatik in der Zirkusschule gelernt.
Abgestürzt und auf den Boden geknallt seien sie noch, versichert Valentyn: „Wir versuchen, auch nicht darüber nachzudenken.“ Dass es anderen Akrobaten passiert sei, wisse er natürlich. „Ich spreche mit ihnen und versuche zu verstehen, warum es passiert ist.“ Aus Unfällen anderer zu lernen, helfe ihm dabei, eigene Unfälle zu vermeiden. Sicherheit sei für ihn das oberste Gebot.
Was ist wichtiger: Kopf oder Körper?
Die Griffe müssen sitzen
Beide hängen aneinander – bei der Show im wahrsten Sinne des Wortes. Und sie hängen voneinander ab. Die Griffe müssen sitzen, sonst droht der Absturz. Erschwert wird das dadurch, dass es von der Zeltkuppel „regnet“. Ein dichter Wasserschleier unterstreicht die Ästhetik der atmosphärischen Nummer.
Bedeutet der Regen ein zusätzliches Risiko?
Die Direktorin
"Wir wollen die Leute begeistern"
Hinter den Kulissen steckt eine Menge Zeit und Arbeit dahinter, bis ein stimmiges Show-Konzept auf die Beine gestellt ist. „Das ist mein Leben“, sagt Kastein. „Ich sehe darin keine Schwierigkeit, sondern eine große Leidenschaft.“ Natürlich helfe ihr das Team dabei, allen voran die Choreographin, der Musical Director und die Kostümbildnerin. „Manchmal finden wir zuerst die Musik und suchen danach einen Act aus. Manchmal gefällt mir eine artistische Nummer und wir suchen dazu die Musik aus“, gibt Larissa Kastein einen Einblick in die Entstehung einer Show.
Wer ist für die Sicherheit der Artisten verantwortlich?
Unfälle als Berufsrisiko
Trotz aller Akribie lassen sich Unfälle nicht gänzlich ausschließen. Bei einem Gastspiel von Flic Flac Anfang 2022 in Dortmund stürzten ein kolumbianisches Artisten-Duo vom sogenannten Todesrad. An einem Seil habe sich eine Ratsche gelöst, dadurch sei die Konstruktion in Schieflage geraten, teilte der Zirkus zum Unfallhergang mit. Glück im Unglück: Beim Sturz aus zwei bis drei Metern Höhe kamen die Männer mit leichten Verletzungen davon, wie eine Untersuchung im Krankenhaus ergab. Wenige Tage später konnten sie schon wieder auftreten.
„Es sind viele gefährliche Acts und es gehört zum Berufsrisiko, was jeder dieser Artisten eingeht“, sagt Larissa Kastein. Genügend Ersthelfer sind – wie auch Brandschutzhelfer – bei jeder Show vor Ort. Den Rettungsdiensten sind die Zufahrts- und Rettungswege bekannt, damit es im Fall der Fälle schnell geht. Unfälle mit schlimmen Folgen sind bei Flic Flac in den vergangenen Jahren nicht passiert.
Welche Nummern der aktuellen Show sie ins Schwitzen bringen und worauf sie sich freut, verrät sie im Video.
Was sind die Highlights?
Die Bello Sisters
Im Gleichgewicht
Lebensgefährlich wird es für die aus einer deutsch-italienischen Zirkusfamilie stammenden Schwestern Loren, Celine und Joline eher nicht, obgleich sie auch einige Meter Höhe erreichen, wenn sie sich grazil übereinander „stapeln“. Kraft, Beweglichkeit und Geschick sind für ihre Gleichgewichtskunst gefordert, die Equilibristik.
"An manchen Tagen klappt alles, an manchen..."
Klar ja, kalt nein
Für das Trio war es eine neue Erfahrung, dass Kunstregen auf sie niederprasselt. „Am Anfang kostet es Überwindung, wenn man neue Sachen versucht“, sagt Loren. „Angst hat man nicht. Aber Respekt.“
Wenn die Chicks on Speed „Kaltes, klares Wasser“ singen, setzt der Kunstregen über den Bello Sisters ein. Zum Glück für die Künstlerinnen ist das Wasser aber gar nicht kalt.
Der Wasserkreislauf
Verschwendet wird kaum etwas, schließlich geht es Flic Flac auch um Nachhaltigkeit im Umgang mit Ressourcen. „Das Wasser wird wieder aufgefangen, in die Tanks zurück gepumpt, aufgeheizt und neu benutzt“, beschreibt Geschäftsführer Uwe Struck den Kreislauf.
Der Geschäftsführer
Zahlenakrobatik
- Licht: 124 Scheinwerfer an 20 Motoren erzeugen 400 verschiedene Lichtstimmungen.
- Ton: 40 Lautsprecher an der Bühne und 2 mannshohe Subwoofer für die tiefen Bässe sorgen für das Sounderlebnis.
- Strom: 50 Kilometer Kabel sind verlegt worden.
- Personal: Insgesamt 100 Mitarbeiter, darunter 32 Artisten aus 13 Ländern, 35 Angestellte und Bühnenarbeiter sowie 18 Gastronomie-Angestellte.
Was ist denn das Besondere an Flic Flac?
Besuch von der Bauaufsicht
Selbstverständlich sorgt sich Flic Flac nicht nur um die Sicherheit der Mitarbeiter und Artisten, sondern auch um die der Besucher. 1.400 Zuschauer fasst das Zelt, das sowohl auf Reisen als auch am festen Standort in Duisburg technisch abgenommen werden muss. „In jeder Stadt kommt vor der Premiere die Bauaufsicht und kontrolliert stichprobenartig, ob wir alles so aufgebaut haben, wie es im Baubuch steht“, sagt Uwe Struck. Alle drei Jahre überprüfe der TÜV zudem den Zustand der technischen Geräte und der Bauten.
Der Aufbau
Zwei Rundbogenmasten, die jeweils zwölf Tonnen wiegen, sind der Knackpunkt. „Das ist der gefährlichste Moment des Auf- und Abbaus“, sagt Uwe Struck. Sind die Masten aufgerichtet, kann er erst einmal durchatmen. Zumindest, bis die Premiere der Show ansteht. Dann ist sogar der erfahrene Zirkusmann aufgeregt. Erst nach dem Finalapplaus ist er wirklich erleichtert, wie Struck verrät: „Da sind auch Freudentränen dabei, wenn alles geklappt hat.“
„Die Artisten helfen sich untereinander“
Die Helldrivers
Helldrivers in der Gitterkugel
Jeden Tag trainieren Rivera und die anderen Helldrivers. Immer einer nach dem anderen. Jeder fährt seine Route ab, bis er sie beinahe mit verbundenen Augen schaffen würde. Dann erst begeben sich mehrere oder – wie in der Show – alle zehn Biker gemeinsam in die Kugel.
Nicht nur der Himmel hilft
Auf himmlischen Beistand zu vertrauen, ist für die Helldrivers das eine. Die Motorräder zu kontrollieren, ist das andere. Und das haben die Fahrer selbst in der Hand. „Das ist das Wichtigste“, bestätigt Victor Rivera. „Du hängst davon ab, dein Leben hängt davon ab.“ Also überprüfen sie jeden Tag ganz gewissenhaft, ob alles in Ordnung und – im wahrsten Sinne des Wortes – keine Schraube locker ist.
Worin besteht das größte Risiko?
Als die Kette riss
Rivera hat weitergemacht und wird auch in Zukunft weitermachen. Denn in seiner Heimat Kolumbien hatte er die rasante Motorrad-Show früher einmal gesehen und war sofort fasziniert: „Mein Traum war es, im „Globe of Speed“ zu fahren.“ Diesen Traum lebt der 41-Jährige.
Hast du auch mal Angst vor einem Auftritt?
Fazit: Kopf ausschalten hilft
Die Sommer-Edition von Flic Flac ist noch bis zum 18. September in der Nähe des Hauptbahnhofs in Duisburg zu sehen. Infos und Tickets gibt’s unter www.flicflac.de