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Prävention Aktuell

Redaktion, Text und Videos: Holger Toth
Fotos (sofern nicht anders angegeben): Dominik Buschardt

Medien
  • Dominik Buschardt / Universum Verlag
  •  | Kreisfeuerwehr Northeim/Konstantin Mennecke
  •  | Universum Verlag
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Die Feuerwehr und der Klimawandel

Feuer und Wasser

  • Vorher-Bild: Kreisfeuerwehr Northeim/Konstantin Mennecke
  • Nachher-Bild: Kreisfeuerwehr Northeim





Ob Waldbrand oder Hochwasser – die extremen Wetterereignisse nehmen aufgrund des Klimawandels zu. Rettungsdienste müssen sich darauf einstellen. Die Kreisfeuerwehr Northeim sieht sich gut gerüstet und hat schon eine Reihe von Erfolgen vorzuweisen. PRÄVENTION AKTUELL hat sich deshalb vor Ort angeschaut, was die Niedersachsen so gut machen.



von Holger Toth



Herausforderung Hochwasser

Weihnachten 2023. In Deutschland rieselte nicht leise der Schnee. Stattdessen regnete es in weiten Teilen des Landes unaufhörlich und ergiebig. Flüsse drohten über die Ufer zu treten. Hochwasseralarm. Niedersachsen bildete da keine Ausnahme.

Erst im August hatte die Kreisfeuerwehr Northeim ein Konzept zum Hochwasserschutz erarbeitet. „Hier war niemand schlecht vorbereitet“, sagt Kreisbrandmeister Marko de Klein. Zentrale Fragestellung: Wie können wir die elf Kommunen unterstützen, bevor der Katastrophenschutz des Landes Niedersachsen auf den Plan treten muss?

Kommunikation und Organisation waren die wesentlichen Antworten. Dabei ging es um die bessere Vernetzung der Kommunen untereinander. Außerdem um die Warnung der Bevölkerung mit modernen Mitteln wie Warn-Apps und Social-Media-Kanälen. In puncto Organisation bestand die ohnehin gewachsene Zusammenarbeit mit dem Technischen Hilfswerk (THW) die Feuerprobe – oder in dem Fall besser: die Wasserprobe. Auch andere Hilf- und Rettungsorganisationen waren involviert.

Reaktion: Sandsäcke vorbereiten

Tatsächlich hatte sich schon im Oktober angedeutet, dass gegen Jahresende ein Hochwasser an der Leine und ihren Nebenflüssen zu erwarten war. „Da haben wir die Füllmaschine für die Sandsäcke geprüft“, sagt de Klein. Ein paar Tage vor Heiligabend, als es kritisch zu werden drohte, stellten die Einsatzkräfte die Maschine am städtischen Bauhof in Einbeck auf, wo es genügend Sandsäcke, Sand und eine gute Infrastruktur gab.

Dann wurde es ernst: In Sechs-Stunden-Schichten befüllten immer mindestens 25 Einsatzkräfte die Sandsäcke und brachten sie dorthin, wo sie gebraucht wurden. „Die Säcke werden zu zwei Dritteln gefüllt, damit sie modellierbar bleiben“, erklärt Oberbrandmeister Florian Koch. Schließlich sollen sie dicht halten, wenn sie übereinander gestapelt werden. Leicht ist das trotzdem nicht. Ein Sandsack wiegt stolze 20 Kilogramm.

1.200 Helfer an Weihnachten im Dauereinsatz

„Die Logistik ist neben dem nötigen Personal sehr wichtig“, unterstreicht Koch. Schließlich müssen die Säcke nicht nur befüllt, sondern auch an den jeweiligen Einsatzort transportiert und dort zum Schutz an Gebäuden und am Flussufer ausgelegt werden.

Neun Sandsäcke passen fein säuberlich sortiert nebeneinander auf eine Europalette, fünf Reihen werden übereinander geschichtet. Stretchfolie darum, damit nichts verrutscht. Und dann wandert die Palette mit 45 Sandsäcken und insgesamt 900 Kilogramm per Hubwagen ins Transportfahrzeug. Insgesamt setzte die Kreisfeuerwehr beim Weihnachtshochwasser rund 28.000 Sandsäcke ein – eine Mammutaufgabe.

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Etwa 1.200 Helfer – fast alle ehrenamtlich – schleppten und stapelten Sandsäcke, statt Weihnachten gemütlich mit ihren Liebsten zu verbringen. Nur an Heiligabend, als der Pegel stagnierte und genügend Sandsäcke vorbereitet waren, gewährte die Einsatzleitung zwischen 15 und 23 Uhr acht Stunden Pause. Danach ging es weiter.

Der unermüdliche Einsatz sorgte dafür, eine Katastrophe größeren Ausmaßes von den Orten rund um Einbeck abzuwenden. An einer Stelle brach zwar der Deich. Aber das Glück der Tüchtigen war mit den Northeimern: Das Wasser lief in einen Freizeitsee, flutete Dutzende Keller und schnitt eine Gemeinde zwischenzeitlich von der Außenwelt ab. Ganze Ortschaften wurden aber nicht überflutet.

Schutz vor Ertrinken und Kontamination

„Man muss jedes Einsatzszenario durchgehen“, erklärt Jan-Eric Loy, der Sicherheitsbeauftragte der Kreisfeuerwehrbereitschaft 1, über die Gefährdungen beim Hochwassereinsatz. Ertrinken gehört natürlich dazu. „Gerade beim Bau von Deichen an Fließgewässern muss man darauf achten, dass die Einsatzkräfte nicht abrutschen.“

Maßnahmen: Schwimmwesten anziehen, angurten und mit Leinen sichern. „Ich weiß außerdem nicht, was im Wasser schwimmt. Tierkadaver, Fäkalien – damit will ich natürlich nicht in Berührung kommen.“ Einsätze in vollgelaufenen Kellern bergen wiederum die Gefahr von Stromschlägen oder des Kontakts mit Gefahrstoffen, die die Besitzer dort gelagert hatten.

PSA ist nicht für jeden Einsatz gleich

Die persönliche Schutzausrüstung (PSA) unterscheidet sich je nach Einsatzart. Helm, Handschuhe und Stiefel gehören zum Standard, haben aber unterschiedliche Funktionen.

„Wer zum Beispiel mit einer mehrlagigen Bekleidung, wie sie Atemschutzgeräteträger etwa bei Hausbränden nutzen, in den Wald geht, hält keine halbe Stunde durch. Für Wohnungsbrände brauche ich einen hitzebeständigen Handschuh, der mich vor den Flammen schützt – den brauche ich im Wald nicht“, veranschaulicht Loy. „Da brauche ich dagegen einlagige Bekleidung und leichte, luftdurchlässige Schutzausrüstung.“

Alle Hautpartien müssen komplett bedeckt sein

Atemgeräte sind im Wald ebenfalls unnötig, es gibt genügend Umgebungsluft. Textiler Atemschutz wie Gesichtstücher, in die sich FFP2- oder FFP3-Masken einbauen lassen, sind völlig ausreichend, um sich vor Gasen und Dämpfen zu schützen.

Alle Hautpartien müssen jedoch komplett bedeckt sein. Dicht schließende Korbbrillen haben gegenüber den meist im Helm eingebauten Visieren den Vorteil, dass sich darunter keine Gase sammeln und keine Funken oder Gegenstände ins Auge geraten können.

Nach der Unterweisung im richtigen Umgang mit der PSA ist jeder Feuerwehrmann und jede Feuerwehrfrau selbst für die eigene Bekleidung zuständig. „Wenn Defekte daran sind, kann man bei der Kleidungskammer in Einbeck eine neue Garnitur bekommen“, sagt Loy. Auch nach jedem Einsatz wird die Kleidung dort ausgetauscht, kontaminierte Kleidung wird in einer Spezialwäscherei gereinigt.

Herausforderung Waldbrand

Der Klimawandel verursacht nicht nur mehr Stark- und Dauerregen, sondern auch längere Trocken- und Hitzeperioden. Die Gefahr von Waldbränden steigt.

Die Ursache für fast jeden Waldbrand ist dennoch – ob absichtlich oder aus Fahrlässigkeit – nicht die Natur, sondern der Mensch. „Wir haben hier im Landkreis viele Mischwälder und waren in der Vergangenheit nicht so sehr betroffen wie andere Regionen“, sagt Kreisbrandmeister Marko de Klein. Das habe sich geändert. „Auch bedingt durch den Borkenkäfer gibt es viel Totholz.“ Und das ist leicht entzündlich, typisches Brennholz.

Die Gefahr, aus Unachtsamkeit ein Feuer auszulösen, ist gestiegen. Unter anderem aus diesem Grund haben die Brandschützer eigenes Informationsmaterial entworfen, um Waldbrände zu verhindern, und vermitteln dieses Wissen einer breiten Masse, vom Kindergartenkind bis zum Senior.

Ein Quad für alle Fälle

Die Northeimer haben für Einsätze in unwegsamem Gelände – also zum Beispiel in Waldgebieten – ein sogenanntes UTV angeschafft. Die Abkürzung steht für Utility Task Vehicle. Dabei handelt es sich um ein geschlossenes Quad mit Allradantrieb. Damit lässt sich Material über längere Wegstrecken in unwegsames Gelände bringen oder auch ein Mensch retten.

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Das UTV ist eine große Hilfe. Denn während die Wege im Forst – auch aufgrund des Trends zu naturbelassenen Wäldern – schmaler werden, werden die modernen Löschfahrzeuge größer, ihre Beladung mehr und schwerer. Bricht das Feuer am Waldrand aus, kommen die Fahrzeuge noch recht nah heran.

Mitten im Wald dagegen wird es kompliziert. Dort müssten eigentlich Löschfahrzeuge eingesetzt werden, wenn die Flammen in einem Waldgebiet mehrere Meter hoch sind. Ist das nicht möglich, helfen nur noch Löschflugzeuge oder -hubschrauber. Bei Bodenfeuern bis zu einem halben Meter Höhe oder bei Nachlöscharbeiten rückt der Feuerwehr-Trupp zu Fuß vor und bekämpft die Flammen.

Wie weit die Feuerwehr dabei gehen kann, ohne sich selbst zu gefährden, ist Abwägungssache, wie Marko de Klein erklärt.

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Einsatz in der Sächsischen Schweiz

Erfahrung hat die Northeimer Feuerwehr in der Waldbrandbekämpfung schon lange. Vor mehr als 15 Jahren wurde vorausschauend ein Waldbrandzug aufgestellt. Also eine Einheit, die aus Tanklöschzügen besteht und sich auf diese Aufgabe spezialisiert hat.

Gefragt ist die Expertise auch andernorts. 30 Feuerwehrleute aus Northeim waren vor zwei Jahren beispielsweise beim verheerenden Waldbrand in der Sächsischen Schweiz im Einsatz, um die dortigen Kameraden zu unterstützen. Mehr als 115 Hektar Wald – das entspricht einer Fläche von mehr als 160 Fußballfeldern – zerstörte das Feuer damals.

Die Northeimer rückten mit Material und Einsatzfahrzeugen für die Nachlöscharbeiten an, waren vier Tage in unwegsamem Gelände beschäftigt. Eine Stunde Fußmarsch, um die Glutnester von Hand zu löschen. Ein anstrengender Einsatz, bei dem die Einsatzkräfte sehr gründlich vorgehen müssen. „Es wäre fatal, wenn der Wind die Glutnester wieder anfacht und es wieder brennt“, erklärt Florian Koch.

Eine Gefahr für die Feuerwehrleute sind sogenannte „Witwenmacher“. Das sind Bäume, die äußerlich gesund aussehen, die von innen aber ausgebrannt sind und vom einen auf den anderen Moment umstürzen können. Koch (rechts) und Jan-Eric Loy beschreiben das Phänomen im Video.

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Strategie hängt von Art des Waldbrands ab

Die größten Gefährdungen sind bei Waldbrandeinsätzen Rauch und die Hitze. Zudem besteht das Risiko, zu stolpern und auf sogenanntes Brandgut – also brennende Äste oder Wurzeln zum Beispiel – zu stürzen.

Drei wesentliche Faktoren sind für die Strategie der Einsatzkräfte entscheidend. Sie beeinflussen gleichzeitig die Gefährdungslage:

Das Wetter

Wie warm ist es? Ist es sonnig oder bewölkt? Ist es regnerisch? Facht der Wind die Flammen immer wieder an?

Die Topographie

Ist das Gelände flach? Oder gibt es eine Hanglage, über die sich das Feuer ausbreiten kann?

Die Vegetation

Handelt es sich um Wald? Wenn ja: Mischwald oder leicht entzündlicher Nadelwald? Handelt es sich um ein landwirtschaftliches Feld?

Von der Wiedehopfhaue bis zur Feuerpatsche

„Die Vorgehensweise ist anders als bei einem Haus- oder Wohnungsbrand, viel dynamischer. Das Wetter spielt eine große Rolle“, sagt Florian Koch. Das Ziel bestehe darin, dass sich das Bodenfeuer nicht über sogenannte Feuerbrücken, also tiefhängende Äste, zu einem Vollfeuer ausbreite. „Dann hat man als Feuerwehr verloren.“ Insbesondere in Nadelwäldern breite sich der Brand dann in trockenen Sommern explosionsartig aus.

Wichtig sind die richtigen Werkzeuge. Mit einem Schlauch und Wasser ist es im Wald nicht getan, wenngleich auch ein 20 Liter fassender Löschrucksack und ein Waldbrandrucksack mit Equipment wie Schläuchen und Schlauchverbindungen zur Ausstattung gehören. Darüber hinaus greifen Einsatzkräfte zu Wiedehopfhaue, Feuerpatsche, Pionierschaufel und den nach ihren Erfindern benannten Gorgui- und McLeod-Tools. Einige Northeimer Feuerwehrleute zeigen und erklären im Video, wie sie die Werkzeuge einsetzen.

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1.300 Einsatzkräfte hat die Kreisfeuerwehr Northeim in den vergangenen drei Jahren in der Wald- und Vegetationsbrandbekämpfung ausgebildet und im richtigen Umgang mit dem Arbeitsmaterial geschult.

Dem Fachkräftemangel begegnen

Um den Herausforderungen Herr zu werden, die der Klimawandel mit sich bringt, braucht es Personal. Und das ist in Zeiten des Fachkräftemangels auch bei den Freiwilligen Feuerwehren knapper geworden.

Wobei Corona immerhin einen kleinen Schub brachte. Laut Deutschem Feuerwehrverband (DFV) waren bundesweit im Jahr 2000 noch 1,07 Millionen Menschen ehrenamtlich bei der Feuerwehr. Die Zahl sank bis 2015 unter die Millionen-Marke, stieg aber im Jahr 2021 wieder auf 1,01 Millionen an.

Eine ähnliche Entwicklung hat auch die Kreisfeuerwehr Northeim registriert. „In den vergangenen 20 Jahren haben wir Einsatzkräfte verloren. In der Corona-Zeit gab es aber viele Quereinsteiger, die sich engagieren wollen“, sagt Kreisbrandmeister Marko de Klein. Um alle Aufgaben bewältigen zu können, brauche die Feuerwehr sowohl Führungskräfte als auch Arbeiter, „die ordentlich mit anfassen können. Eine gute Mischung macht es aus.“

VR begeistert den Feuerwehr-Nachwuchs

Insgesamt sind in 142 Feuerwehren 5.000 ehrenamtliche Feuerwehrleute sowie 1.500 Kinder und Jugendliche für die elf Kommunen des Landkreises Northeim mit rund 130.000 Einwohnern zuständig. Sie rücken mehr als 2.500 Mal pro Jahr zu Einsätzen aus.

Um auch in Zukunft eine schlagkräftige Truppe stellen zu können, bemüht sich die Kreisfeuerwehr Northeim sehr um den Nachwuchs. Eine wichtige Rolle spielt dabei Virtual Reality, wie de Klein ausführt.

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„Bei der Feuerwehr erlebt man viel Leid – aber eben auch viel Freude“, zieht der Kreisbrandmeister das Fazit. „Man erlernt in kaum einen Beruf so unterschiedliche Dinge. Sich bei der Feuerwehr zu engagieren, ist abwechslungsreich und erweitert die persönlichen Kompetenzen.“