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Grüner dübeln

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Die Auszeichnung

von Holger Schmidt und Andreas Arnold
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Christian Ziegler, Leiter des Fischer-Nachhaltigkeitsteams

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Der Weg

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Nachhaltigkeit ist in der Firmen-DNA verankert. „In unserem Fischer-Leitbild sind Grundsätze festgehalten, die wirtschaftliche, soziale und ökologische Aspekte berücksichtigen“, sagt Klaus Fischer, der das Familienunternehmen seit 1980 in zweiter Generation führt. „Unsere unternehmerischen Aktivitäten basieren auf den Grundwerten innovativ, eigenverantwortlich und seriös."
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Bereits 1953 begann das Unternehmen damit, in der Dübel-Produktion Kunststoffabfälle wiederzuverwerten. Damals war Nachhaltigkeit längst nicht als erstrebenswertes Ziel in der deutschen Wirtschaft angekommen. Warum also dieser frühe Fokus auch auf ökologische Gesichtspunkte?

„Dafür brauchen Sie nur zum Fenster rauszuschauen“, antwortet Christian Ziegler beim Ortstermin in der Unternehmenszentrale. Der Firmensitz mit seinen Logistik- und Produktionshallen im kleinen Ort Tumlingen liegt malerisch in einer hügeligen, mit Wäldern gesäumten Landschaft im Waldachtal. „Arbeiten, wo andere Urlaub machen“, wird Ziegler später bei der Führung durch den Betrieb augenzwinkernd sagen. Es ist eine Führung entlang des "Blauen Pfades".
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Der Blaue Pfad

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Dort im Schwarzwald kommt man wohl zwangsläufig auf die Idee, dass die Natur ein wertvolles Gut ist, das es zu bewahren gilt. Christian Ziegler verweist auf Hans Carl von Carlowitz, der Anfang des 18. Jahrhunderts den Begriff der Nachhaltigkeit prägte.
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Kurz zusammengefasst: Man darf der Natur nur so viele Rohstoffe entnehmen, wie sie danach wieder hervorbringen kann. „Wenn ich Umweltverschmutzungen akzeptiere, wird mich das später einholen und um ein Vielfaches härter treffen. Deswegen steht das Thema Ressourceneffizienz in unserem Unternehmen sehr weit oben“, erklärt Christian Ziegler.
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Der 35-jährige Christian Ziegler ist bei der Unternehmensgruppe Fischer der Hüter des „Blauen Pfades“. Dessen Farbgebung steht symbolisch für die Ozeane, den Himmel, die Erde – und für Nachhaltigkeit.

Der „Blaue Pfad“ führt entlang des gesamten Betriebsgeländes zu besonders anschaulichen Nachhaltigkeitsprojekten, die auf Infotafeln erklärt werden. Damit das nicht abstrakt, sondern ganz konkret bei den Mitarbeitern ankommt, versuchen sie bei Fischer, Nachhaltigkeit in einer einheitlichen Währung zu messen. „Euro versteht jeder“, bringt es Christian Ziegler auf den Punkt.
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Christian Ziegler, Leiter des Fischer-Nachhaltigkeitsteams.

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Nachhaltigkeitsmanager Christian Ziegler verweist beispielsweise auf die betriebsinterne Palettensicherung. Um die fertigen Dübel von der Produktion in die nur ein paar hundert Meter entfernte Logistik zu verfrachten, wurden die Paletten zuerst mit Stretchfolie umwickelt, zum Warenausgang gebracht und dann in Lkw verladen – nur um sie auf der anderen Straßenseite wieder auszuwickeln. Eine Menge Arbeit bei mehr als 90.000 Paletten pro Jahr.

Jetzt klebt ein Roboter die Kartons mit wenigen Tropfen automatisch aneinander, man kann sich das wie eine Spritzpistole vorstellen. Danach platziert die Maschine die Kartons akkurat auf den Paletten. „Der Lebensmittelkleber ist vollkommen unbedenklich, sicher und man kann ihn gut wieder lösen“, sagt Christian Ziegler. Fischer sparte 33,6 Tonnen Folie und 177 Tonnen CO2-Emissionen, dazu den Mitarbeitern monotone Arbeit – und in der Bilanz etwa 50.000 Euro.

Im Palettenbeispiel stecken alle drei Dimensionen, in denen Nachhaltigkeit bei Fischer gedacht und gelebt wird. „An erster Stelle steht dabei immer das Ziel, die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens sicherzustellen“, erläutert Ziegler. Diesem Ziel dient das ganzheitliche Nachhaltigkeitsmanagement. „Unser Anspruch ist es immer, das ökonomische Handeln in Einklang mit den ökologischen und sozialen Aspekten zu bringen. Wohl wissend, dass es nicht immer gelingt und man teilweise auch Abstriche machen muss.“

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Die grüne Linie

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Ob Universal-, Spreiz-, Nagel-, Gipskarton-, Porenbeton- oder Dämmstoffdübel – die Befestigungshelfer gibt es seit 2014 nicht mehr nur in der grauen Kunststoff-Standardversion, sondern auch in der grünen Alternative. Und die besteht zu 50 bis 85 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen. „Wir haben viel Lob für das Produkt und den Ansatz bekommen, von einem endlichen zu einem unendlichen Rohstoff zu wechseln“, sagt Christian Ziegler.

Auch die Jury des Deutschen Nachhaltigkeitspreises führte die Greenline in ihrer Begründung als eines der positiven Beispiele dafür an, warum sie das Unternehmen Fischer für auszeichnungswürdig erachtete.
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Der Haken: „Man sieht an den Absatzzahlen, dass das Produkt nicht so am Markt angenommen wird“, bedauert Christian Ziegler. Konventionelle Dübel würden sich besser verkaufen.

Ob es tatsächlich an der grünen Farbe liegt? Die Fischer-Mitarbeiter sehen sich jedenfalls hin und wieder mit dem Vorbehalt konfrontiert, die Dübel würden sich irgendwann auflösen. „Das ist natürlich falsch“, betont Christian Ziegler. In Eigenschaften und Funktionalität gebe es keine Unterschiede zu den grauen Klassikern.

Theoretisch wäre es also sogar möglich, das komplette Sortiment auf die ökologische Variante umzustellen. Ökonomisch allerdings wäre das nicht sinnvoll - und damit auch nicht nachhaltig.
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Die Produktion

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Gefertigt werden grüne wie graue Dübel in insgesamt 90 Spritzgussanlagen, die in der riesigen Produktionshalle automatisch ihre Akkordarbeit verrichten. Das geschieht in einem geschlossenen System: Bei der Fertigung der Dübel bleibt immer überschüssiges Material übrig, der sogenannte Anguss. 99,99 Prozent dieses „Abfalls“ werden wiederverwertet, indem er direkt an der Maschine vermahlen wird, als Granulat zurück in den Kreislauf gelangt und in der Spritzgussmaschine landet.
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Im vergangenen Jahr stellte Fischer auf diese Weise exakt 1.965.284.178 Dübel her, also rund zwei Milliarden. Oder anders ausgedrückt: mehr als 8,1 Millionen am Tag. Und das sind nur die Standardvarianten, hinzu kommen noch Dübel mit Metallkomponenten oder Wärmedämmdübel.
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Die Stahlprodukte von Fischer – Schrauben, Bolzen oder Nägel – werden in der Nachbarhalle mittels Kaltmassivumformung produziert. Bei diesem Verfahren muss der Rohstoff anders als beim Schmieden nicht erhitzt werden, er wird bei Raumtemperatur in die Werkzeugmaschine eingelegt.

Als Schmierstoff ist Pressöl notwendig, damit Metall nicht auf Metall reibt. „Sonst würde es sofort zum Verschleiß führen und die Maschinen beschädigen“, führt Simon Essig aus, der während seines Dualen Studiums ein System zur Altölreinigung entwickelte und inzwischen als Teamleiter Technologie bei Fischer arbeitet.

Vor seiner Erfindung musste das benutzte Öl viermal im Jahr gewechselt und entsorgt werden. Jetzt wird das Schmiermittel mit Hilfe einer Zentrifuge aufbereitet und wiederverwertet.

Ein unendlicher Kreislauf ist es zwar nicht, weil an den 25 Millionen Teilen, die im Jahr gefertigt werden, auch immer Spuren von Öl haften bleiben. Verschleppung heißt das im Fachjargon. Aber: „Damals haben wir 10.000 Liter Pressöl benötigt, jetzt laufen 8.600 Liter Öl im Jahr durch die Anlage – bei höherem Output“, erklärt Simon Essig. Und: „Wir müssen nicht mehr das flüssige Öl entsorgen, sondern nur noch die Feststoffe.“

Gut für die Umwelt, gut für den Geldbeutel des Unternehmens. Jährliche Ersparnis: 10.000 Euro.
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10.000 Euro mag wie ein recht geringer Betrag für ein Unternehmen klingen, das im Vorjahr einen Bruttoumsatz von 887 Millionen Euro erwirtschaftet hat. Aber es sind neben den größeren Prozessoptimierungen auch die vielen kleinen Beiträge, die in der Summe Wirkung erzielen.

Ideen sind gefragt. So sind die Mitarbeiter, 1.400 sind es am Firmensitz in Tumlingen, angehalten, sich mit mindestens drei „fixen Ideen“ pro Jahr einzubringen. Darunter versteht Fischer auch kleinste Verbesserungen in Ablauf oder Organisation, die sich in kürzester Zeit umsetzen lassen.
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Die Logistik

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Die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit zeigen sich bei Fischer nicht nur in der Produktion, sondern auch im zentralen Auslieferungszentrum (Global Distribution Center). „Jeden Tag machen wir hier 2000 bis 2500 Pakete versandfertig“, erklärt Logistik-Abteilungsleiter Marc Kiefer.
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Seit 2015 läuft die Kommissionierung automatisch über eine Shuttle-Anlage. Mussten vorher noch die Beschäftigten in den Gängen des Lagers aus den mehr als 5.000 Artikeln die Bestellungen zusammensuchen, bringt die Anlage die Waren nun in Behältern aus Recycling-Kunststoff direkt zu den Kommissionierern, die die Produkte aus den Behältern nehmen und – geleitet von Lichtsignalen und Pfeilen – damit die Versandkartons bestücken. So bewältigen sie 300 Lieferscheinpositionen pro Stunde.
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„Die ‚Pick it easy‘-Arbeitsplätze sind für die Mitarbeiter ergonomisch gut designt mit einer Hebebühne“, sagt Marc Kiefer. Nicht nur die Produkte werden zur einfacheren Handhabung entsprechend ihrer Größe und ihres Gewichts angehoben, der gesamte Arbeitsbereich ist höhenverstellbar. So kann jeder einzelne Beschäftigte in der Kommissionierung die Arbeitshöhe nach seinem individuellen Bedarf einstellen.

Zudem ist die Shuttle-Anlage mit einer Energierückgewinnung ausgestattet. „Der Nettoenergiebedarf ist konstant geblieben, obwohl wir den Output um 20 Prozent gesteigert haben“, erklärt Marc Kiefer.
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Der Ausblick

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Trotz aller Erfolge sieht Nachhaltigkeitsmanager Christian Ziegler „noch viel Potenzial“ bei Prozessoptimierungen und Effizienzsteigerungen.

Schließlich ist er bei seinem Bild der Mount-Everest-Besteigung gerade mal im ersten Lager angekommen: „Es sind noch weitere Basislager vor uns, die wir auf dem Weg auf den Gipfel erst erklimmen müssen.“
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Stolz ist man im Schwarzwald trotzdem auf den Gewinn des Deutschen Nachhaltigkeitspreises. Gerade in Zeiten, wo der Klimawandel verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist und Kunststoff ein schlechtes Image bekommen hat.

„Als kunststoffproduzierendes Unternehmen so einen Preis zu gewinnen, ist natürlich eine doppelt starke Auszeichnung“, findet Christian Ziegler, der Herr des Blauen Pfades.

Fest steht: Grüner als mit Fischer lässt es sich nicht dübeln.
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Drei Fragen an Klaus Fischer

Klaus Fischer führt das Familienunternehmen seit 1980 in zweiter Generation. Im Interview erklärt er, was Nachhaltigkeit für ihn bedeutet und warum er nichts vom europäischen Emissionshandel hält.
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Ihr Unternehmen hat sich dem Umweltschutz und der Nachhaltigkeit schon verpflichtet gefühlt, lange bevor das Thema Klimawandel die öffentliche Wahrnehmung bestimmt hat. Warum ist Ihnen so sehr an Nachhaltigkeit gelegen?

Klaus Fischer: Wir sind uns unserer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst. Als Wirtschaftsunternehmen handeln wir nachhaltig, wenn wir den für die erfolgreiche Weiterentwicklung und Zukunftssicherung unseres Unternehmens erforderlichen Gewinn erwirtschaften. Damit schaffen, erhalten und gestalten wir Arbeitsplätze und verzinsen das eingesetzte Kapital. Wir erstreben also stetiges, profitables Wachstum. Dieses erreichen wir durch kontinuierliche Verbesserung und Innovationen in allen Bereichen unserer Unternehmensgruppe. Die Märkte, in denen wir tätig sind, gestalten wir aktiv mit. Und wir unterstützen die Grundlagenforschung privater und öffentlicher Institutionen, soweit sie mit unseren Unternehmenszielen und Werten in Einklang steht.

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Sehen Sie einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Unternehmen, die Ökologie nachrangig behandeln und rein auf Wirtschaftlichkeit achten?


Klaus Fischer:
Wir betrachten nachhaltiges Handeln als klaren Wettbewerbsvorteil. Unsere wirtschaftliche Entwicklung planen wir mit langfristigen und nachhaltigen Zielen, im Einklang mit ökologischen sowie gesellschaftlichen Interessen. Dabei spielen innovative Produkte, ressourcenoptimierte Prozesse, gut ausgebildete und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, eine aktive Gestaltung der Märkte sowie zufriedene Kunden eine entscheidende Rolle.
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Die Selbstverpflichtung einzelner Unternehmen wird aber nicht ausreichen, um die Klimaziele zu erreichen. Kann die Lösung des Problems im europäischen Emissionshandel liegen?

Klaus Fischer: Ich halte die CO2-Bepreisung für einen erheblichen bürokratischen Mehraufwand ohne transparenten Nutzen. Was heute fehlt, ist ein politischer Rahmen für Innovationen in Richtung Nachhaltigkeit. Hierzu müssen auch auf EU-Ebene klare Ziele formuliert werden. Denn Nachhaltigkeit ist nicht nur ein nationales Thema. Wir benötigen nicht noch eine Hürde, die wirtschaftliches Handeln erschwert. Bestrafung in Form von weiteren Abgaben hilft nicht, vielmehr muss mit Bildung und neuen Perspektiven etwas dafür getan werden, dass wir den Standort Deutschland attraktiv halten. Unser Unternehmen spart an seinen deutschen Standorten die CO2-Emissionen, die durch die Energiebeschaffung entstehen, seit 2018 vollständig ein. Stattdessen setzen wir auf Ökostrom aus 100 Prozent erneuerbaren Energien. Ganz ohne gesetzliche Vorgaben. Auch weil Nachhaltigkeit fest in unserer Firmenstrategie verankert ist.

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