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Industrietaucher im Einsatz

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Industrietaucher im Einsatz

Die braune, blubbernde Brühe sieht alles andere als einladend aus. Gert Siemon ist trotzdem darin abgetaucht. Denn auch die Arbeit in Klärbecken gehört zu seinem harten Job als Industrietaucher.


von Holger Schmidt
und Dominik Buschardt
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Der Auftrag führt Gert Siemon mit seinem Team nach Luxemburg. In der dortigen Kläranlage wird das Abwasser von 210.000 Einwohnern der Stadt Luxemburg und angrenzender Gemeinden gereinigt und aufbereitet. Bevor Siemon mit dem Tauchgang in einem der Klärbecken beginnen kann, muss er Vorbereitungen treffen. Der Industrietaucher holt sich alle relevanten Informationen vom Auftraggeber, macht sich ein Bild von den Örtlichkeiten und erstellt eine Gefährdungsbeurteilung.

Auf dem Gebäude über dem Klärbecken gibt es Luken, durch die Gert Siemon ins Becken einsteigen wird. Also verlegen der Trierer und seine Mitarbeiter Tassilo Gall und Kai Fritsche Schläuche und Kabel vom Kompressor aufs das Gebäude über dem Klärbecken und schaffen das benötigte Arbeitsmaterial aufs Dach.

Was ihre Aufgabe ist, haben sie in einer Besprechung von den Klärwerksbetreibern erfahren.

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Die Beschädigungen an den Belüftungsplatten stellen ein Problem für den Prozess dar. Aufgefallen waren den Klärwerksbetreibern die Defekte bei einem zweiten Klärbecken. Das konnten sie leerpumpen, um die Platten abzumontieren.

Bei diesem Becken ist das Umpumpen des Abwassers nicht so einfach möglich. Denn hier werden zusätzlich Millionen kleiner Plastikteilchen als Füllkörper eingesetzt, die bei eingeschalteter Belüftung durch das Abwasser schweben und an denen sich die für den Schadstoffabbau gewünschten Bakterien anheften sollen. Sie könnten beim Abpumpen beschädigt werden. „Deshalb haben wir keine andere Möglichkeit, als Industrietaucher einzusetzen, um die Tellerbelüfter auf Risse und sonstige Schäden zu kontrollieren“, sagt Lopes.

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Alle Fragen sind beantwortet, die Vorbereitungen abgeschlossen. Die Schläuche – wobei zwei Schläuche und ein Kabel miteinander zu einem Strang verflochten sind – führen von unten aus dem Transporter nach oben auf das Gebäude. Ein gelber Schlauch ist an den Kompressor angeschlossen, der die Hauptluft in den Helm pumpt. Über den zweiten gelben Schlauch ist der Helm mit der Reserveluft verbunden. Und das rote Kabel dient der Kommunikation über das Tauchertelefon und der Beleuchtung. Für den Ersatztaucher liegt ebenfalls ein so präparierter Helm bereit.

Allerdings sparen sich die Taucher im Klärwerk die Beleuchtung. „Wir haben es mal probiert mit einem richtig dicken Strahler – keine Chance“, sagt Gert Siemon. Vergleichbar sei der Effekt damit, dass man beim Autofahren im dichtesten Nebel das Fernlicht einschalten würde. „Nur ist es da halt weiß und hier schwarz“, veranschaulicht er.

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Sehen wird Gert Siemon also absolut gar nichts. Riechen zum Glück aber auch nichts. Wenngleich der Geruch aus dem Klärbecken gar nicht so beißend und intensiv an die Oberfläche steigt, wie man es erwarten könnte. Es müffelt leicht modrig, nach einer Mischung aus altem Moos und starkem Schimmel. Da über einen Kompressor permanent Frischluft in Siemons Helm gepumpt wird, bekommen die Außenstehenden davon aber weit mehr mit als der Taucher. „Das Einzige, was im Anzug riecht, bin ich“, sagt der 55-Jährige.

Und das ist nur halb im Scherz gemeint. Denn schon nach dem Anziehen des Taucheranzugs steht ihm der Schweiß im Gesicht. „Das Schwitzen“ antwortet Gert Siemon deshalb auch auf die Frage, was für ihn das Unangenehmste an seinem Job ist. Außerdem würde einem der Schlamm den Körper zusammendrücken, je tiefer man tauche. „Das kann schon die Atmung beeinträchtigen“, erklärt Siemon. Dann müsse man langsamer machen oder eine kurze Pause einlegen.

Oder auftauchen, aus dem Becken steigen, sich sammeln und dann einen neuen Anlauf nehmen, sollte es gar nicht funktionieren. Sicherheit hat bei ihm oberste Priorität – was auch mit einer unangenehmen und gefährlichen Erfahrung aus seiner Zeit als Berufstaucher-Azubi herrühren könnte.

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Zu den Sicherheitsmaßnahmen gehört das Tauchertelefon. Darüber hält der Industrietaucher den Kontakt zur Welt außerhalb des Wassers. Das Gerät funktioniert wie eine Gegensprechanlage. Der Taucher ist die ganze Zeit über zu hören. Er schildert, wo er sich befindet und was er gerade macht. Der Signalmann am Telefon muss einen Knopf drücken, damit der Taucher ihn hören kann. Dabei muss er darauf achten, langsam und deutlich zu sprechen. Sonst kommen die Signale nicht klar im Helm an, sie wären dann für den Taucher nicht zu verstehen.
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Nicht nur die Leinenzugzeichen dienen der Sicherheit. Die Schläuche selbst tragen bis zu 200 Kilogramm. Sollte sich der Taucher nicht mehr bewegen können oder es nicht von alleine zurück an die Oberfläche schaffen, können ihn seine Kollegen über einen Dreibock-Kran mit einer Seilwinde herausziehen.

Zusätzlich sind neben dem Einsatztaucher ein Reservetaucher, der im Notfall schnell zur Hilfe kommen kann, sowie ein Signalgeber, der das Tauchertelefon bedient, Vorschrift. Deshalb ist das Team von Gert Siemon zu dritt in Luxemburg. Sollen bei Aufträgen unter Wasser noch Videoaufnahmen gedreht werden – beispielsweise bei Vermessungen oder zur Kontrolle von Brücken – ist der Taucherservice Siemon sogar noch mit einem vierten Kollegen im Einsatz.

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Durch die Luke steigt Siemon die Leiter hinab. Kurzer Sicherheitscheck an der Leiter mit dem Kopf unter „Wasser“: Der Anzug ist dicht, die Luftversorgung funktioniert, die Audioverbindung steht. Es kann losgehen.

20 Kilogramm Blei um die Hüfte sorgen dafür, dass es für Siemon abwärts gehen kann. Fünf Kilogramm Blei an den Füßen helfen ihm dabei, dass er in der Senkrechten bleibt und nicht waagerecht im Wasser schwebt. Je nach Einsatzort und Temperatur wiegt die Ausrüstung der Industrietaucher zwischen 35 und 50 Kilogramm.

Dann meldet sich Gert Siemon über das Tauchertelefon aus dem Becken. Es läuft nicht alles nach Plan.

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Die Belüftungsanlage im Klärbecken läuft auf vollen Touren. Dennoch bilden die Plastikfüllkörper am Grund eine drei Meter hohe Schicht, obwohl sie eigentlich im Wasser schweben sollten. Das macht dem Taucher das Atmen schwer. Zudem ist das Material wie Treibsand. Räumt er die kleinen Plastikteile von einer Tellermembrane weg, strömen sie von allen Seiten sofort nach.

Gert Siemon kehrt an die Oberfläche zurück. Seine Einschätzung: Der Abbau der Belüftungsplatten wird wohl funktionieren. Die abmontierten Platten durch neue zu ersetzen, ist dagegen ein aussichtsloses Unterfangen. Nach der Demontage Muttern anzuschrauben, um die Öffnungen zu verschließen, traut sich der 55-Jährige aber zu. Und so wird es nach kurzer Besprechung mit den Klärwerksbetreibern dann auch gemacht.

Der zweite Tauchgang funktioniert wie geplant. Siemon tastet sich im Dunkeln zu einer der insgesamt 132 Tellermembranen durch, montiert sie ab und zieht mit einem großen Schraubenschlüssel die Mutter fest. Wobei ihm seine erste Ausbildung zum Kfz-Mechaniker zugutekommt.

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Während Gert Siemon auftaucht, führt Tassilo Gall den Strang mit den Schläuchen durch eine Konstruktion, die Kai Fritsche selbst entwickelt und gebaut hat. Sie funktioniert wie eine Minidusche und befreit die Schläuche vom gröbsten Schmutz und Abwasser. Das erleichtert die Reinigung, die nach getaner Arbeit abschließend mit einem Desinfektionsmittel erfolgt.
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Insgesamt vier blaue Tellermembranen hat Gert Siemon bei seinen Tauchgängen im Klärbecken abmontiert. Die Klärwerksbetreiber um Prozessleiter Raphael Lopes inspizieren das Material.

Das Ergebnis ist anders als erhofft, aber wie befürchtet: „Wir haben bemerkt, dass drei von vier Tellerbelüftern kleine Risse aufweisen“, sagt Lopes. Die Luft tritt also nicht mehr wie vorgesehen feinblasig aus, sondern durch diese Risse in den Membranen.

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Der letzte Tauchgang des Tages ist geschafft. Gert Siemons Kollegen haben ihm den Helm abgenommen und spritzen den Anzug mit frischem Wasser aus dem Schlauch ab.

Der Trockenanzug ist gas- und wasserdicht. Er besteht im Gegensatz zu den handelsüblichen „Trockis“ von Hobbytauchern nicht aus Neopren, sondern aus Latex. Denn Neopren wärmt, was beim Klärwerkstauchen im Abwasser zusätzlich schweißtreibend und belastend wäre. Die Temperaturen waren mit knapp 33 Grad schon hoch genug. Ein weiterer Pluspunkt des Materials: Es lässt sich leichter reinigen als Neopren.

Damit endet der Arbeitstag in Luxemburg für das Team von Tauchservice Siemon. Es geht zurück nach Trier. Der nächste Auftrag in einem anderen Klärwerk wartet aber schon. Wobei das Klärwerkstauchen nur eine Facette im breiten Leistungsspektrum der Industrietaucher ist.

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