Industrietaucher im Einsatz
Industrietaucher im KlärwerkAbgetaucht
von Holger Schmidt
und Dominik Buschardt
Der Job beginnt
Auf dem Gebäude über dem Klärbecken gibt es Luken, durch die Gert Siemon ins Becken einsteigen wird. Also verlegen der Trierer und seine Mitarbeiter Tassilo Gall und Kai Fritsche Schläuche und Kabel vom Kompressor aufs das Gebäude über dem Klärbecken und schaffen das benötigte Arbeitsmaterial aufs Dach.
Was ihre Aufgabe ist, haben sie in einer Besprechung von den Klärwerksbetreibern erfahren.
Die Aufgabe
Das Problem
Bei diesem Becken ist das Umpumpen des Abwassers nicht so einfach möglich. Denn hier werden zusätzlich Millionen kleiner Plastikteilchen als Füllkörper eingesetzt, die bei eingeschalteter Belüftung durch das Abwasser schweben und an denen sich die für den Schadstoffabbau gewünschten Bakterien anheften sollen. Sie könnten beim Abpumpen beschädigt werden. „Deshalb haben wir keine andere Möglichkeit, als Industrietaucher einzusetzen, um die Tellerbelüfter auf Risse und sonstige Schäden zu kontrollieren“, sagt Lopes.
Keine dummen Fragen
Die Helme liegen bereit
Allerdings sparen sich die Taucher im Klärwerk die Beleuchtung. „Wir haben es mal probiert mit einem richtig dicken Strahler – keine Chance“, sagt Gert Siemon. Vergleichbar sei der Effekt damit, dass man beim Autofahren im dichtesten Nebel das Fernlicht einschalten würde. „Nur ist es da halt weiß und hier schwarz“, veranschaulicht er.
Nichts sehen, nichts riechen
Und das ist nur halb im Scherz gemeint. Denn schon nach dem Anziehen des Taucheranzugs steht ihm der Schweiß im Gesicht. „Das Schwitzen“ antwortet Gert Siemon deshalb auch auf die Frage, was für ihn das Unangenehmste an seinem Job ist. Außerdem würde einem der Schlamm den Körper zusammendrücken, je tiefer man tauche. „Das kann schon die Atmung beeinträchtigen“, erklärt Siemon. Dann müsse man langsamer machen oder eine kurze Pause einlegen.
Oder auftauchen, aus dem Becken steigen, sich sammeln und dann einen neuen Anlauf nehmen, sollte es gar nicht funktionieren. Sicherheit hat bei ihm oberste Priorität – was auch mit einer unangenehmen und gefährlichen Erfahrung aus seiner Zeit als Berufstaucher-Azubi herrühren könnte.
Der Blick zurück
Was sind die größten Gefahren?
Das Tauchertelefon
"Leinenzugzeichen"
Die Schläuche
Zusätzlich sind neben dem Einsatztaucher ein Reservetaucher, der im Notfall schnell zur Hilfe kommen kann, sowie ein Signalgeber, der das Tauchertelefon bedient, Vorschrift. Deshalb ist das Team von Gert Siemon zu dritt in Luxemburg. Sollen bei Aufträgen unter Wasser noch Videoaufnahmen gedreht werden – beispielsweise bei Vermessungen oder zur Kontrolle von Brücken – ist der Taucherservice Siemon sogar noch mit einem vierten Kollegen im Einsatz.
Kostet der Tauchgang Überwindung?
Es geht nach unten
20 Kilogramm Blei um die Hüfte sorgen dafür, dass es für Siemon abwärts gehen kann. Fünf Kilogramm Blei an den Füßen helfen ihm dabei, dass er in der Senkrechten bleibt und nicht waagerecht im Wasser schwebt. Je nach Einsatzort und Temperatur wiegt die Ausrüstung der Industrietaucher zwischen 35 und 50 Kilogramm.
Dann meldet sich Gert Siemon über das Tauchertelefon aus dem Becken. Es läuft nicht alles nach Plan.
"Das ist schlecht"
Ein neuer Plan
Gert Siemon kehrt an die Oberfläche zurück. Seine Einschätzung: Der Abbau der Belüftungsplatten wird wohl funktionieren. Die abmontierten Platten durch neue zu ersetzen, ist dagegen ein aussichtsloses Unterfangen. Nach der Demontage Muttern anzuschrauben, um die Öffnungen zu verschließen, traut sich der 55-Jährige aber zu. Und so wird es nach kurzer Besprechung mit den Klärwerksbetreibern dann auch gemacht.
Der zweite Tauchgang funktioniert wie geplant. Siemon tastet sich im Dunkeln zu einer der insgesamt 132 Tellermembranen durch, montiert sie ab und zieht mit einem großen Schraubenschlüssel die Mutter fest. Wobei ihm seine erste Ausbildung zum Kfz-Mechaniker zugutekommt.
"Taucher steigt"
Die Schlauch-Dusche
Es geht nach oben
Das Ergebnis
Das Ergebnis ist anders als erhofft, aber wie befürchtet: „Wir haben bemerkt, dass drei von vier Tellerbelüftern kleine Risse aufweisen“, sagt Lopes. Die Luft tritt also nicht mehr wie vorgesehen feinblasig aus, sondern durch diese Risse in den Membranen.
War der Tauchereinsatz ein Erfolg?
Der Arbeitstag endet
Der Trockenanzug ist gas- und wasserdicht. Er besteht im Gegensatz zu den handelsüblichen „Trockis“ von Hobbytauchern nicht aus Neopren, sondern aus Latex. Denn Neopren wärmt, was beim Klärwerkstauchen im Abwasser zusätzlich schweißtreibend und belastend wäre. Die Temperaturen waren mit knapp 33 Grad schon hoch genug. Ein weiterer Pluspunkt des Materials: Es lässt sich leichter reinigen als Neopren.
Damit endet der Arbeitstag in Luxemburg für das Team von Tauchservice Siemon. Es geht zurück nach Trier. Der nächste Auftrag in einem anderen Klärwerk wartet aber schon. Wobei das Klärwerkstauchen nur eine Facette im breiten Leistungsspektrum der Industrietaucher ist.