Hinweis

Für dieses multimediale Reportage-Format nutzen wir neben Texten und Fotos auch Audios und Videos. Daher sollten die Lautsprecher des Systems eingeschaltet sein.

Mit dem Mausrad oder den Pfeiltasten auf der Tastatur wird die jeweils nächste Kapitelseite aufgerufen.

Durch Wischen wird die jeweils nächste Kapitelseite aufgerufen.

Los geht's

Krieg und Frieden

Logo https://stories.praevention-aktuell.de/krieg-und-frieden

Psychische Belastungen

Verletzungen, auch tödliche, gehören zum Berufsrisiko von Soldaten. Da erscheint es nur logisch, dass die Bundeswehr den Fokus vermehrt auf psychische Belastungen legt. Wie jeder andere Arbeitgeber muss die Bundeswehr aber auch im Alltag jenseits der Einsätze auf Arbeitsschutz achten, damit Verletzungen durch Unfälle vermieden werden.


von Katharina Müller-Güldemeister (Text)
und Holger Schmidt (Redaktion)

Zum Anfang
„Den Themen Beanspruchung, Belastung und Psyche widmet man sich im Arbeitsschutz heute mehr als früher“, sagt Erich Becher. Er arbeitet seit 28 Jahren als Sicherheitsingenieur und leitet die Zentrale Stelle für Arbeitsschutz der Bundeswehr seit ihrer Gründung 2013. Ein besonderes Augenmerk liege laut Becher auf den Auslandseinsätzen, bei denen laut Bundeswehr etwa 90 Prozent der Soldatinnen und Soldaten mit Gefechten, Anschlägen oder großem Leid durch Armut, Bürgerkriege oder menschliche Grausamkeit konfrontiert sind. Um Kampfhandlungen und moralisch belastende Situationen besser zu verarbeiten, stünden ihnen während des Einsatzes psychologische Hilfe und Militärseelsorge zur Seite. Im Anschluss gebe es ein Nachbereitungsseminar mit Fragebogen und persönlichem Gespräch mit dem jeweiligen Truppenarzt.

Dennoch können nicht immer alle Erlebnisse auch gut verarbeitet werden, wie Dr. Peter Zimmermann in einem Video erklärt. Der Oberstarzt leitet das im Bundeswehrkrankenhaus Berlin angesiedelte Psychotrauma-Zentrum, das 2009 gegründet wurde, um psychischen Einsatzfolgeschäden besser vorzubeugen und sie zu behandeln.

Zum Anfang
0:00
/
0:00
Video jetzt starten
Zum Anfang
Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) können Schreckhaftigkeit, Schlafstörungen, Alpträume, Aggressivität, Suchtprobleme, Schuld- und Schamgefühle sein. „Betroffene ziehen sich zurück und beginnen, Situationen zu vermeiden, die vielleicht Erinnerungen hervorrufen“, erläutert Dr. Peter Zimmermann. „Der Rückzug ähnelt oft der Depression: also keine Kraft, kein Antrieb, keine Lebensfreude mehr.“

Online, über eine App, per Telefon-Hotline können sich Betroffene ersten Rat über PTBS holen. Im Psychotrauma-Zentrum der Bundeswehr werden Therapien in Einzelgesprächen und Gruppensitzungen angeboten. Betroffene könnten sich aber auch zivil behandeln lassen. In den vergangenen fünf Jahren wurden bei der Bundeswehr pro Jahr zwischen 274 und 344 einsatzbedingte psychische Neuerkrankungen erfasst. Neben Anpassungsstörungen, Depressionen und Platzangst waren darunter bis zu 235 PTBS-Diagnosen. Laut Bundeswehr sprechen 90 Prozent der Patienten sehr gut auf eine Therapie an. Über das Erlebte zu reden, helfe fast immer.

Zum Anfang

Der Podcast in voller Länge

https://tinyurl.com/y54v5jc4

0:00
/
0:00
Audio jetzt starten
In der Langzeitstudie „Leben nach Afghanistan“ hat sich Dr. Anja Seiffert vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr mit der Frage auseinandergesetzt, wie der Einsatz im Gefechtsjahr 2010 das Leben der Soldatinnen und Soldaten verändert hat. Welche Rolle die Gemeinschaft spielt und welche Auswirkungen die Erfahrungen im Einsatz auf den einzelnen Menschen haben, erklärt die Wissenschaftlerin im Bundeswehr-Podcast.

Audio öffnen

Zum Anfang
0:00
/
0:00
Video jetzt starten
Einblicke, wie sich eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) auf das Leben eines Soldaten und seiner Familie auswirkt, liefert das Bundeswehr-Video eines Fallschirmjägers.

Video öffnen

Zum Anfang

Arbeitsunfälle

Einsätze in Krisengebieten, Anschläge und Minen, ein Job, der Leib und Leben gefährdet, sind die ersten Assoziationen, die wohl die meisten Menschen mit der Bundeswehr verbinden. Einsätze also, die potenziell eine PTBS hervorrufen können. Arbeitsschutz bei der Bundeswehr geht aber darüber hinaus und umfasst alle Arbeitsbereiche – wie bei jedem anderen Arbeitgeber auch.

Mit 30 Prozent der 2019 gemeldeten Arbeitsunfälle bilden Sportverletzungen die größte Kategorie in der Unfallstatistik. Besonders Sportarten wie Fußball, Volleyball oder Basketball treiben die Zahlen hoch, etwa durch Bänderzerrungen und Verstauchungen. „Dass bei der Bundeswehr befehlsgemäß Sport betrieben wird, versaut uns die Statistik“, sagt Erich Becher etwas scherzhaft. „Außer bei der Bundeswehr, bei der Polizei, beim Bundesgrenzschutz oder bei Feuerwehren gibt es angewiesenen Sport ja nicht so häufig.“

Zum Anfang
0:00
/
0:00
Video jetzt starten
Auch in der Vergangenheit spielte Sport schon eine große Rolle für die Bundeswehr. In ihrem Video ist jedenfalls eine ganz besondere „Auslandsmission“ aus dem Jahr 1967 zu sehen.

Video öffnen

Zum Anfang
Zum Anfang
Ich bin damit einverstanden, dass mir Diagramme von Datawrapper angezeigt werden. Mehr Informationen
Ansicht vergrößern bzw. verkleinern

Um externe Dienste auszuschalten, hier Einstellungen ändern.

Insgesamt ist die Unfallquote, also die Zahl der Arbeitsunfälle je 1000 Beschäftigte, die mehr als drei Tage ausgefallen sind, aber verhältnismäßig niedrig. Laut der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), die einmal pro Jahr eine Unfallstatistik für Deutschland herausgibt, lag die Unfallquote für nicht militärische Arbeitsunfälle im Jahr 2018 bei 24,2, bei der Bundeswehr lag sie bei 15,3. „Im langfristigen Mittel geht die Unfallquote nach unten. An Maschinen passiert kaum noch etwas“, sagt Erich Becher. Die Sicherheitstechnik sei mittlerweile sehr ausgereift. An anderen Stellschrauben lasse sich weniger leicht drehen.

Viele Unfälle – 2019 waren es bei der Bundeswehr rund ein Viertel – ereigneten sich ganz banal, „zum Beispiel wenn Leute in Gedanken sind und stolpern.“ So etwas werde man nie ganz vermeiden können. In anderen Bereichen erhofft sich die Zentrale Stelle für Arbeitsschutz einen Rückgang: durch Präventionskampagnen und Schulungen etwa sowie eine Fachaufsicht, die den Arbeitsschutz in den Dienststellen überprüft.

Zum Anfang
Im Hinblick auf die Unfallzahlen auf dem Weg zur Arbeit oder nach Hause hat die Bundeswehr ein Pilotprojekt gestartet, das sich an Mitarbeiter unter 25 Jahren richtet. „Die Unfälle der Junglenker machen zwar nicht die Mehrheit der Wegeunfälle aus, aber es sind doch viele“, sagt Livia Schori, Referentin für Unfallverhütung und -prävention bei der Bundeswehr.

Im vergangenen Jahr machten Wegeunfälle knapp zehn Prozent aller Arbeitsunfälle bei der Bundeswehr aus und forderten sogar einen von fünf Toten. Die anderen starben durch einen Verkehrsunfall im Dienst, durch Treppensturz, Hubschrauberabsturz bzw. einen Zusammenstoß zweier Eurofighter. In den vergangenen zehn Jahren kamen bei der Bundeswehr 94 Menschen durch Arbeitsunfälle ums Leben.

„Wegeunfälle sind durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes schwer beeinflussbar“, sagt Erich Becher, „die Mitarbeiter sitzen in ihrem Auto und sind in ihrer Welt.“ Viele hätten außerdem einen Arbeitsweg von 100 Kilometern und mehr zu den Standorten, die oft dezentral liegen. Um diesen Unfallschwerpunkt anzugehen, bietet die Bundeswehr ein Sicherheitstraining an, das junge Fahrer für die Gefahren im Straßenverkehr sensibilisieren soll.

Zum Anfang
0:00
/
0:00
Video jetzt starten
Wie ein Fahrtraining für Bundeswehr-Kraftfahrer aussieht, zeigt dieses Video aus der Mediathek der Bundeswehr.

Video öffnen

Zum Anfang

Prävention

Professionsübergreifende Maßnahmen wie Fahrsicherheitstrainings machen einen großen Teil des Arbeitsschutzes bei der Bundeswehr aus. „Wir wenden auch immer den Blick nach außen und schauen, welche Schwerpunkte die Berufsgenossenschaften setzen“, sagt Livia Schori. Dabei müsse für alle etwas dabei sein. „Wir haben ja fast alle Berufsfelder vertreten und können nicht wie eine Berufsgenossenschaft nur etwas für einen Bereich wie etwa die Logistik entwickeln.“

Zu den professionsübergreifenden Allroundern bei der Bundeswehr gehören die Spezialpioniere. Sie schaffen mit ihren technischen und handwerklichen Fähigkeiten die Voraussetzungen für eine längere Stationierung und Versorgung von Soldaten im Einsatz. Sie errichten Feld- und Tanklager, sorgen für den Aufbau einer sicheren Versorgung mit Elektrizität, Energie und Wasser. 

Zum Anfang
0:00
/
0:00
Video jetzt starten
Was die Spezialpioniere bei ihrem Einsatz in Mali alles zu tun haben, zeigt dieses Video der Bundeswehr.

Video öffnen

Zum Anfang
Gerne greift das Referat für Unfallverhütung und -prävention Kampagnen wie „Denk an mich, Dein Rücken“ von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) auf. „Da gab es Materialien zu Rückenübungen oder sicherem Heben und Tragen, die wir nur auf – ich nenne es mal ganz liebevoll – Bundeswehrdeutsch übersetzt haben, da wir bekanntermaßen andere Begrifflichkeiten haben, und bei uns natürlich auch medial die Soldaten im Vordergrund stehen“, sagt Livia Schori.
Zum Anfang
Ein weiteres Beispiel dafür, dass man bei der Bundeswehr das Rad nicht jedes Mal selbst neu erfinden muss, ist die Kampagne „Arbeiten in Balance“, bei der es um die psychische Belastung am Arbeitsplatz geht, die seit 2013 ermittelt werden muss. Dazu wurde eine von der Unfallversicherung Bund und Bahn entwickelte Prüfliste an die Arbeitsschutzfachkräfte weitergegeben, anhand derer die Mitarbeiter Arbeitsorganisation, Arbeitsklima, soziales Gefüge und Stresslevel an ihrem Arbeitsplatz beurteilen sollten.
Zum Anfang

Der Podcast in voller Länge

https://tinyurl.com/y5cgs8cv

0:00
/
0:00
Audio jetzt starten
Die größten Belastungen für die Psyche stellen aber immer noch Einsätze dar, insbesondere Auslandseinsätze in Kriegs- und Krisengebieten. Auch mit guter Prävention lasse es sich nicht verhindern, dass die Menschen psychisch belastet und erkrankt von dort zurückkehrten, betont Dr. Peter Zimmermann, der Leiter des Psychotrauma-Zentrums. Gleichwohl helfe eine gute Vorbereitung vor dem Einsatz bei der Auseinandersetzung mit den bevorstehenden Belastungen und innerem Stress.

Im Nachhinein schlagen Therapien in 50 bis 80 Prozent der Fälle gut an und ermöglichen ein zufriedenstellendes Privat- und Berufsleben. Wichtig sei es laut Dr. Peter Zimmermann, dass über Posttraumatische Belastungsstörungen, aber auch über Angststörungen und Depressionen offen gesprochen werden kann. „Aufklärung tut not“, erklärt der Oberstarzt im Bundeswehr-Podcast. Im Umgang mit den Erkrankungen habe sich zwar schon einiges gewandelt. Aber: „Ein bisschen Luft nach oben haben wir durchaus noch.“

Audio öffnen

Zum Anfang

Interview Erich Becher

Erich Becher, Leiter der Zentralen Stelle für Arbeitsschutz der Bundeswehr, im Gespräch.

Gibt es für die Bundeswehr Ausnahmen vom Arbeitsschutzgesetz?

Erich Becher: Nein, die Bundeswehr unterliegt dem Arbeitsschutzgesetz zu 100 Prozent.

Auch bei Auslandseinsätzen?
Becher: Bei Einsätzen im Ausland, zum Beispiel in Afghanistan oder Mali, richtet sich die Bundeswehr, soweit es die Lage zulässt, nach den deutschen Gesetzen, die durch Befehl zur Geltung gebracht werden.

Zum Anfang
Gibt es hinsichtlich des Arbeitsschutzes im Verteidigungsfall und im Normalfall Unterschiede?
Becher: Gemäß unserer grundlegenden Arbeitsschutzvorschrift wird der Arbeitsschutz im Krieg grundsätzlich genauso durchgeführt wie im Frieden. Im normalen Dienstbetrieb richten wir uns nach den zivilen Vorgaben: Die Beamten und Soldaten arbeiten 41 Stunden, die Arbeitnehmer 39 Stunden, Überstunden werden abgegolten. Bei einsatzgleichen Verpflichtungen gelten die gleichen Vorgaben. Die Leute arbeiten zum Beispiel das Wochenende durch, Mehrarbeit wird aber durch eine Einsatzzulage abgegolten.

Wie ist das Verhältnis von Unfällen im Einsatz zu Unfällen im normalen Dienstbetrieb?
Becher: Dadurch, dass in den Camps im Ausland genau der gleiche Arbeitsschutz betrieben wird, passieren dort auch nicht mehr Unfälle als hier.

Zum Anfang
Welche Auswirkungen hat Corona auf den Alltag bei der Bundeswehr?
Becher: Wir richten uns nach den Vorgaben der Bundesregierung und halten die Hygienevorschriften ein. Außerdem haben wir Weisungen rausgegeben, die zum Beispiel die Betriebssicherheit von technischen Anlagen betrifft. Da mussten wir Vorgaben machen, dass Anlagen und Fahrzeuge, die nicht gewartet werden konnten, nicht außer Betrieb gesetzt werden.

Wie war das in den Kasernen?
Becher: Hier galt: Abstand halten und Masken tragen. Bei Übungen wurden Kohorten gebildet, also kleine Gruppen, die gemeinsam untergebracht werden und die Abstand zu anderen Kohorten halten mussten. Vor einer Übung mussten die Beteiligten in Quarantäne gehen.

Zum Anfang
Scrollen, um weiterzulesen Wischen, um weiterzulesen
Wischen, um Text einzublenden